Begegnung schaffen
Im Jahre 321 erlässt Kaiser Konstantin in der heutigen Stadt Köln ein Dekret, das besagt, dass Juden in den Stadtrat berufen werden dürfen und sollen – dies ist das erste schriftliche Dokument, das belegt, dass es jüdisches Leben in Europa nördlich der Alpen schon vor mindestens 1700 Jahren gegeben hat! Und Anlass für ein Festjahr, in dessen Rahmen die Schüler der Klassen 10-12 der DST am Nachmittag des 19. Oktober Herrn Andrei Kovacs treffen konnten, der auf Einladung des Generalkonsulats Bordeaux aus Köln angereist war.
Andrei Kovacs ist der Leitende Geschäftsführer des Vereins „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, der während des gesamten Jahres 2021 durch zahlreiche und vielfältige Veranstaltungen jüdisches Leben in Deutschland „sichtbar und erlebbar“ gemacht hat.
Nach der Begrüßung durch die neue Generalkonsulin Frau Stefanie Zeidler und Schulleiter Dr. Stefan Schulze gab Herr Kovacs zunächst Einblicke in die Arbeit und Ziele des Vereins, der durch „das Schaffen von Verständnis und emotionalen Momenten“ Brücken bauen, Begegnungen möglich machen und ein „deutliches Zeichen gegen einen wachsenden Antisemitismus“ setzen möchte.
In einem 8-minütigen 3D-Film konnten sich die SchülerInnen dann einen Überblick verschaffen über die wechselvolle Geschichte von Juden in Deutschland, mit dem schrecklichen Höhepunkt der Judenverfolgung und -vernichtung in der Shoah unter den Nationalsozialisten. Hervorheben sollte der Film aber auch den wichtigen Beitrag, den Juden zur deutschen Kultur geleistet haben und dass jüdisches Leben heute wieder „bunt, vielfältig und laut“ ist. Jüdisches Leben, das sind eben auch Fußballturniere, Konzerte und viele Feste. Um diese Feste in die Öffentlichkeit zu bringen, wurde z.B. Sukkot XXL gefeiert, bei dem jüdische und nichtjüdische Menschen gemeinsam eine große Laubhütte bauten und dabei ins Gespräch kamen. Denn um die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen, häufig die Ursache für Antisemitismus und Fremdenhass, muss man den „Anderen“ kennenlernen – und das eben nicht (nur) über eine Internetrecherche oder theoretisches Wissen, sondern am besten über die persönliche Begegnung! In diesem Sinne sei das Festjahr laut Kovacs ein Erfolg gewesen – denn es war das erste Mal, dass die ganze Gesellschaft mitgemacht hat und sich jüdische Gemeinden nach 1945 wieder auf diese Art und Weise in die Öffentlichkeit getraut haben – keine Selbstverständlichkeit, mit Blick auf antisemitische Anschläge in Deutschland noch in den letzten Jahren. Doch „die Zeit dafür war jetzt reif“ und es war und ist „dringend notwendig, dass jeder seine Stimme erhebt“, so Kovacs.
Die Begegnung an diesem Nachmittag nutzten unsere Schüler, um unserem Gast viele Fragen zu stellen, auch ganz persönlicher Art: „Waren Sie selbst schon Opfer von Antisemitismus?“, „Fühlen Sie sich als Jude in Deutschland heutzutage integriert?“, „Wie sehen Sie die Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland?“, waren einige Beispiele , auf die Herr Kovacs offen und ehrlich, selbstbewusst, aber bescheiden und realistisch-optimistisch antwortete. Und unsere Schüler auch zurückfragte: „Fühlt ihr euch in die französische Gesellschaft integriert?“
Für unsere Schüler bot dieser Nachmittag nicht nur eine Begegnung, die bei ihnen auf viel positive Resonanz stieß, sondern die vor allem auch viele neue Denkanstöße lieferte.