„Wichtig für das deutsch-französische Bauwerk“
Die Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Bordeaux, Frau Stefanie Zeidler, besuchte anlässlich der mündlichen Abiturprüfungen die Deutsche Schule in Toulouse. Stefan Schaffrath, Vorstand, Ressort Marketing & Kommunikation der DST hat mit ihr gesprochen.
Frau Zeidler, warum sind Sie hier in Toulouse?
Ich habe die mündlichen Abiturprüfungen hier an der DST, der Deutschen Schule Toulouse begleitet, eine Aufgabe, die ich sehr gerne als Vertreterin des deutschen Konsulats wahrnehme.
Waren das Ihre ersten Berührungspunkte mit der DST ?
Nein. Einer meiner ersten Besuche gleich nach meinem Amtsantritt in Bordeaux ging nach Toulouse. Die DST ist unsere einzige deutsche Auslands-Schule in meinem doch sehr großen Amtsbezirk und daher ein ganz wichtiges Flaggschiff unserer auswärtigen Kultur und Bildungspolitik in der Region. Daher war es für mich wichtig, mir schon frühzeitig einen ersten Eindruck zu verschaffen und mich vorzustellen.
Insgesamt haben wir sieben Abibac Schulen im Bezirk, aber die DST als Deutsche Auslandsschule genießt einen besonderen Stellenwert, denn hier ist das AbiBac nicht nur Teilprojekt, sondern gehört ganz wesentlich zum Profil der Schule.
Wie oft waren Sie inzwischen an der DST ?
Ich habe die Deutsche Schule bereits zweimal besucht. Zum einen anlässlich des Besuches von Herrn Kowacz, dem Vertreter des Jüdischen Gedenkjahres. Hier hatte ich den Schulleiter und seine Vertreterin kennengelernt und auch einige Schüler und ihre Lehrer getroffen. Der gesamte Schulvorstand hat sich mir im Herbst vergangenen Jahres vorgestellt.
Jetzt freue ich mich, mit den Abiturienten zu sein, die – so denke ich – auf sehr erfolgreiche Jahre an der Deutschen Schule Toulouse zurückblicken können und nun darauf brennen zu zeigen, was sie können. Und ich bin sicher, dass ist sehr reichhaltig.
Auf Ihren Auslandsstationen haben Sie viel „Best-Practice“ gesehen. Was können Sie der DST empfehlen?
Als Kulturreferentin im Ausland hatte ich immer wieder mit Deutschen Schulen im Ausland (DAS) zu tun. Dabei habe ich sehr unterschiedliche Modelle kennenlernen können. Die Deutsche Schule in New York zum Beispiel, war seinerzeit – Anfang der 90er Jahre – eine relativ kleine, so genannte Experten-Schule [Schule für Auslandsdeutsche], in Lateinamerika, Ländern wie Brasilien zum Beispiel, sind die Schulen dagegen oft riesige Wirtschaftsunternehmen. In Südafrika wiederum haben meine Kinder eine eher kleinere Deutsche Auslandsschule besucht.
Die Herausforderung ist immer die Balance zwischen der Schulversorgung deutscher Kinder im Ausland mit Blick auf den schulischen Anschluss in Deutschland zum einen und der Begegnung mit der Gesellschaft und Kultur des Gastlandes, also auch der Berücksichtigung der Anforderungen des Bildungssystems des Gastlandes zum anderen. Bei den großen Begegnungsschulen spielen Sprache und Lehrpläne des Gastlandes oft eine größere Rolle. Da fällt die Integration der Experten-Kinder manchmal schwerer. Bei den kleineren Schulen hingegen, insbesondere dort, wo die örtlichen Gesetze die Beschulung von Landeskindern gar nicht erlauben, findet weniger Austausch und Begegnung statt. Wie man hier eine gute Mitte findet, hängt natürlich sehr von den örtlichen Gegebenheiten ab, aber ich habe den Eindruck, dass das in Toulouse – auch dank ihrer französischen Partnerschule – gut gelungen ist!
Und wie erleben Sie die deutsche Schule in Toulouse?
Die Herausforderung zeigte sich schon vor 30 Jahren in New York, meiner ersten Auslandsstation. Für Schulen mit einem sehr ausgeprägten Deutschprogramm ist es nicht unbedingt einfach, Schüler aus dem Gastland zu gewinnen. Das war in der sehr viel größeren, deutschen Schule in Sao Paulo kein Thema. Das sind sehr gute Schulen mit einem sehr guten Ruf auch für Brasilianische Familien ohne Deutschbezug. Aufgrund ihres – aufgrund der Schülerzahl – reichhaltigen Angebotes haben sie kein Problem, neue Schüler zu rekrutieren. Die kleineren, eher auf die Bedürfnisse der Expatriate-Kinder ausgerichteten Schulen haben da eher zu kämpfen. Die Frage ist dort stets: Wie können wir unsere Schülerbasis halten oder gegebenenfalls sogar verbreitern? In Südafrika zum Beispiel hat man auch solche Ansätze verfolgt, wie jetzt in Toulouse. Und die Einsicht auch dort war: Wir müssen die Schülerschaft von unten aufbauen. Wir müssen mit einem guten Kindergarten- und Vorschulangebot beginnen, und hierbei auch die Familien ansprechen, bei denen Deutsch nicht die Familiensprache ist.
Die Öffnung ist natürlich ein Spagat, sprachlich zusätzliche Angebote zu schaffen und trotzdem den deutschen „Markenkern“ zu erhalten, also die Anschlussfähigkeit an das deutsche Schul- und Ausbildungssystem. Für uns als Auswärtiges Amt ist das sehr wichtig – auch mit Blick auf die Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Deutschlands. Mit Anschlussfähigkeit meine ich, dass man Abschlüsse anbietet, mit denen die Kinder von Expatriates dann zu Hause in Deutschland weiterstudieren können. Und das ist natürlich auch für französische und den ein oder anderen internationalen Schüler attraktiv. Das AbiBac bietet hier die besondere Chance in Deutschland sowie auch in Frankreich mit der Ausbildung weitermachen zu können. Das AbiBac ist ein hohes Gut, was die Deutsche Schule Toulouse anbietet und erhalten sollte.
Was zeichnet für Sie eine deutsche Auslandsschule aus?
Drei Dinge: Das Angebot, die Integrationsfähigkeit und die Anschlussfähigkeit – und das für alle Abschlüsse, auch wenn man nicht bis zum Abschluss im Gastland bleibt, wieder nach Deutschland zurück- oder auch woanders in der Welt hingehen muss und dann dort die Schulausbildung fortsetzen kann.
Auch wichtig ist die Ausstrahlung in das Gastland, nicht nur im Hinblick auf die Akquise, sondern auch auf das Vermögen Schüler aus dem Gastland für die deutsche Schule zu gewinnen und zu begeistern. Deutsche Schulen im Ausland haben eine Leuchtturmfunktion. Sie sind Beispiel für die deutsche Kultur, für deutsche Werte. Und natürlich auch für ein gelebtes Miteinander.
Wo würden Sie eine optimale Größe ansetzen?
Man kann hier keine konkrete Zahl nennen. Das hängt von der Umgebung ab. Auch von der Demographie. Wie viele Familien mit deutschem Hintergrund, mit Deutsch-Bezug leben im Einzugsgebiet?
Das Motto der Schule ist „Wir bilden das Europa von morgen“ – und wir bereiten unsere Schüler mit dem AbiBac darauf vor. Reicht das, oder sollten wir uns noch internationaler aufstellen, zum Beispiel mit dem Angebot eines International Baccalaureat, dem IB ?
Die Frage ist, lässt sich das leisten? Und das – glaube ich – sollte man sorgfältig prüfen, zu überlegen, wie kann das funktionieren ? Man sollte hier mit Bedacht herangehen und sich nicht übernehmen. Es hat ja schließlich Konsequenzen für die ganze Organisation des Unterrichts, für die Lehrer,..
Keine Frage, auch das IB hat mittlerweile eine große Attraktivität. Die Diskussion „deutsche Schule oder internationale Schule mit IB“ wird immer wieder geführt, auch unter meinen Kolleginnen und Kollegen. Aber: Ein deutsches Abitur und ein französisches Baccalaureat sind sehr wertige Abschlüsse und das AbiBac öffnet einem schon sehr viele Türen. Ich weiß nicht, ob man international mit einem IB so viel besser aufgestellt ist. Meine Kinder haben nicht das IB sondern das Abitur gemacht. Das war eine bewusste Entscheidung. Die Anforderungen, die Art und Weise wie gelernt wird, ist beim IB eine andere. Das hat dann auch Auswirkungen auf die Unterrichtsgestaltung. Und wie man das dann in einer Schule alles attraktiv und effektiv unter einen Hut kriegt, ist dann – glaube ich – eine größere Herausforderung. Ich will nicht sagen, dass es nicht möglich ist, und es gibt ja auch schon an einzelnen Deutschen Schulen im Ausland das so genannte „Gemischtsprachige Internationale Baccalaureate“ (GIB), aber man sollte es sehr kritisch prüfen, ob es für den eigenen Schulstandort ein geeignetes Angebot ist. Mit dem AbiBac hat man bereits ein sehr gutes Angebot und man kommt auf der Welt damit bereits sehr weit.
Was sehen Sie als die großen Trends im Schulleben?
Schwierige Frage. An der Digitalisierung sind Sie ja bereits dran. Corona hat es ja sehr deutlich gemacht, wie wichtig es ist, auch digital arbeiten zu können und diese Kompetenzen aufzubauen.
Welche Fähigkeiten erachten Sie für heutige Schulabgänger als wichtig ?
Große Offenheit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit – das alles ist heute – glaube ich – noch viel wichtiger als es immer schon war. Man muss sich heute darauf einstellen, dass sich im Laufe des Berufslebens die Rahmenbedingungen immer wieder ändern, dass man sich immer mal wieder neu orientieren muss. Sprachenkompetenz, Fremdsprachenkompetenz und mehr als nur Englisch sind auch sehr wichtig. Englisch wird bei anspruchsvollen Berufen immer vorausgesetzt – und das Deutsch/Französisch, wie es an der DST gelebt wird, ist ein wichtiger Mehrwert und Differenzierungsfaktor. Gerade in Europa ist mehr als „nur“ Englisch gut.
Wichtig ist es auch, Sozialkompetenz in diversen Teams erlernt zu haben, Teams die sich immer wieder neu zusammensetzen, gehören heute zum Alltag. Agilität, agile Teams – das müssen unsere Kinder beherrschen. Und Team-Arbeit ist etwas, was zur Kernkompetenz der Deutschen Schule gehört.
Im Spagat zwischen Tradition, deutschen Wanderliedern und digitaler Zukunftsorientierung – wo würden Sie die Deutsche Schule Toulouse ansiedeln und sehen wollen ?
Also, da muss ich doch mal eine Lanze für den Musikunterricht an der Schule brechen, der heutzutage ja kaum noch etwas mit „Wanderliedern“ zu tun hat. Ich finde die musischen Fächer sehr wichtig für die persönliche Entwicklung unserer Kinder. Aber natürlich geht heute Schule nicht mehr ohne Digitalisierung, und die Vermittlung digitaler Fertigkeiten, einschließlich des kritischen Umgangs mit digitalen Medien, ist enorm wichtig. Und da hat die DST nach meinem Eindruck die Nase vorn.
Sollten wir uns als Deutsche Schule Toulouse auch etwas sparen ?
Dazu kenne ich die Schule noch nicht gut genug …
Wie können Sie die Deutsche Schule Toulouse auf ihrem Weg unterstützen ?
Die Frage möchte ich zurückgeben, wo brauchen Sie meine Unterstützung ?
Meine wichtigste Aufgabe ist, Präsenz zu zeigen, dass die Schule wichtig ist für die deutsche Diplomatie, für das deutsch-französische Bauwerk, und wenn Sie mich da brauchen, bin ich da !
Möchten Sie unseren Lesern noch eine Botschaft mitgeben ?
Meine große Anerkennung geht an die Lehrkräfte. Eine gute Schule funktioniert nur als gute Schule, wenn sie gute und engagierte Lehrer hat. Die Lehrer sind die, die täglich das große Projekt, die große Idee einer bi-kulturellen, zweisprachigen Schule umsetzen, und da gibt es sicherlich auch vielfältige Vorbehalte, Hürden und vielleicht auch Kommunikationsschwierigkeiten im Alltag zu überwinden und da sind es dann meist die Lehrer, die das ausbalancieren müssen. Man kann gar nicht genügend Anerkennung aussprechen für das, was die Lehrer und die Schulleitung gemeinsam leisten.
Den Schülern möchte ich sagen: Glückwunsch ! Habt ihr ein Glück, dass ihr eine so gute Vorbereitung auf all das, was da auf Euch wartet, bekommt. Dass ihr diese Mehrsprachigkeit, diese Fähigkeit über kulturelle Grenzen hinweg miteinander denken und arbeiten zu können, so selbstverständlich an der Deutschen Schule Toulouse mitbekommen habt, was andere sich erst mühsam aneignen müssen – das ist schon ein besonderes Privileg !